Die Zukunft der Gemeinde Rieder

Der Innenministers Holger Stahlknecht besuchte Gernrode am 10. April 2013. Eingeladen hatte die Bürgerinitiative „Pro Quedlinburg" 30 ausgewählte Einwohner aus Gernrode, Bad Suderode und Rieder einschließlich der Bürgermeister dieser drei Gemeinden sowie aus Quedlinburg. Herr Stahlknecht hat dort zum Entwurf eines neuerlichen Zwangsgesetzes zur Eingemeindung unserer drei Gemeinden in die Stadt Quedlinburg gesprochen. Es stimmt sehr bedenklich, wenn sich das Innenministerium, welches oberste Kommunalaufsichtsbehörde im Land Sachsen-Anhalt ist und als solche die Interessen aller Gemeinden gleichförmig zu vertreten hat, in der vorliegenden Situation, in der es darum geht, wie die kommunale Zukunft unserer drei Gemeinden gestaltet werden soll, offenbar nur ganz bestimmten Akteuren zuwendet.
Dieser Eindruck muss jedenfalls entstehen, wenn unsere Bemühungen um Gespräche und Argumentationsaustausch mit dem Innenministerium nach der landesverfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 19.02.2013, die zum Wiederaufleben der Stadt Gernrode, der Gemeinde Bad Suderode und der Gemeinde Rieder führte, betrachtet werden. Bereits mit Schreiben vom 20.02.2013 versuchten wir die Kontaktaufnahme mit dem Staatssekretär Prof. Dr. Gundlach im Ministerium für Inneres und Sport. Ein für den 12.03.2013 zugesagtes Gespräch wurde kurzfristig und ohne jedes neue Gesprächsangebot am 11.03.2013 vom Ministerium abgesagt. Zu einem an diesem Tag angesetzten Gespräch mit der Kommunalaufsicht erhielten unsere Rechtsbeistände keinen Zutritt. Der stellvertretende Landrat stellte uns vor die Alternative, Gespräch ohne unsere Bevollmächtigten oder Abbruch. Alle Bemühungen, Vertreter des Innenministeriums zur seit langem angekündigten Einwohnerversammlung am 15.04.2013 nach Gernrode einzuladen, scheiterten. Niemand - offenbar nicht einmal ein einfacher Referent - schien abkömmlich zu sein. Die Einladung einer Interessengruppe für Quedlinburg nahm aber sogar der Innenminister persönlich an.


Etwas geschockt gingen eine beachtliche Zahl der Teilnehmer aus dieser Veranstaltung, weil sie mit dem Demokratieverständnis unseres Innenministers nicht klargekommen sind. Unter dem Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern" wurde die Meinung abgebügelt, dass doch eigentlich Verwaltungsgemeinschaften 1:1 in Einheitsgemeinden umgewandelt werden sollten und nur ein Ausscheiden erlaubt sein sollte, wenn der Rest noch eine Einheitsgemeinde bilden kann. Hier liegen die ersten beiden Verstöße von Landkreis und Land gegen den Gedanken des Gemeindeneugliederungsgesetzes, aus denen sich alle weiteren Probleme entwickelt haben. Auch sollten Grundzentren nicht in Mittelzentren eingemeindet werden. Nach dem Hinweis des Innenministers, nicht in der Vergangenheit herumzuwühlen, sondern in die Zukunft zu sehen, wurde die Frage „Herr Minister, würden Sie einem in der freiwilligen Phase abgeschlossenen Gebietsänderungsvertrag zwischen der Stadt Ballenstedt und der Gemeinde Rieder zustimmen?" klar beantwortet: „Nein, ein solcher Vertrag wird von mir nicht genehmigt." Er und die Regierung haben die Richtung bestimmt, in die gegangen wird. Der Begriff „freiwillig" ist also bei unseren politischen Vertretern auf Landesebene sehr stark eingeschränkt, er beinhaltet also nur freiwillig oder zwangsweise nach Quedlinburg, alle anderen Richtungen werden ausgeschlossen. Dies beinhaltet auch die Bürgeranhörung am 23.06.2013, die nur die Frage der Eingemeindung nach Quedlinburg mit „Ja" oder „Nein" zulässt.
Wer uns in einer Einheitsgemeinde Gernrode oder Ballenstedt sehen will, muss zu dieser Bürgeranhörung gehen und mit „Nein"
stimmen! Nichtteilnahme reicht nicht aus!
Die Anträge auf Erweiterung der Fragestellung nach Gernrode und Ballenstedt wurden leider abgelehnt. Jetzt muss eine Bürgeranhörung zur Frage der Eingemeindung nach Ballenstedt spätestens zur Landratswahl am 01.09.2013 oder zur Bundestagswahl am 22.09.2013 durchgeführt und endsprechende Beschlüsse für die nächste Gemeinderatssitzung vorbereitet werden. Die Frage der Bildung der Einheitsgemeinde Gernrode braucht man eigentlich nicht mehr zu stellen. In der Begründung des neuen Eingemeindungsgesetzes steht dazu für Rieder: "Von insgesamt 830 gültigen Stimmen entfielen 747 und damit 90 % auf ja und 83 Stimmen und damit 10 % auf nein. Festzustellen ist, dass damit ein klares Votum für die Bildung einer Einheitsgemeinde aus den hierzu bereiten Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz herbeigeführt wurde."
Das Landesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung unmissverständlich gemacht, dass die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder durch einen schweren formalen Fehler, den keine der beteiligten Kommunen und übrigens auch nicht die Stadt Quedlinburg zu vertreten hat, wieder eingerichtet werden müssen. Gegen erhebliche Widerstände von verschiedenen Seiten ist es gelungen, diese eindeutige höchstrichterliche Entscheidung durchzusetzen. Eine eigene Verwaltung gibt es aber erst seit dem 01.04.2013 und die Arbeit beginnt sich durch die fleißige Tätigkeit der 20 MitarbeiterInnen langsam zu stabilisieren.
Gegenwärtig ist wieder der Punkt erreicht, an dem der durch eine Reihe von Ratsbeschlüssen und Bürgervoten unterlegte Auftrag zur Bildung einer gemeinsamen Einheitsgemeinde „Stadt Gernrode/Harz" Ende 2010 unterbrochen wurde. Hierüber wurde bereits 2009 ein Gebietsänderungsvertrag geschlossen. Die Zustimmung wurde bisher von der Kommunalaufsicht, einschließlich des Innenministeriums, als oberste Kommunalaufsichtsbehörde verweigert. Gegen diese Verweigerung ist bereits seit 2010 ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht in Magdeburg anhängig. Er wurde aber trotz des ausdrücklichen Wunsches unserer Gemeinden und der Bevollmächtigten bis zur Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes ausgesetzt und wird jetzt fortgesetzt. Der Ausgang dieses gerichtlichen Verfahrens wird erweisen, ob unsere Rechtsauffassung, dass die „Dreier-Lösung" gesetzeskonform ist oder nicht. Bestätigt das Verwaltungsgericht den Gebietsänderungsvertrag, so besteht kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf, denn dann liegt eine Einheitsgemeinde vor.
Geht die Entscheidung zu unseren Lasten aus, muss zügig eine andere gesetzeskonforme Lösung umgesetzt werden. Diese könnte darin bestehen, einen Gebietsänderungsvertrag mit der Stadt Ballenstedt abzuschließen. In diesem Zusammenhang muss die vielfach geäußerte Behauptung, es gäbe keinen Plan B und es wird nur in eine Richtung gearbeitet, zurückgewiesen werden. Bereits Mitte 2009 gab es einen 1. Entwurf eines Gebietsänderungsvertrages zur „Neubildung einer Stadt aus der Stadt Ballenstedt und den drei Mitgliedskommunen der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz". Dieser Entwurf wurde aber nur im Bereich Gernrode im sehr engen Kreis diskutiert und sollte Grundlage für Gespräche in Richtung Osten sein, in die Rieder geschichtlich zugeordnet werden muss.

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