Bildung der Einheitsgemeinde

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat die Klage zur Bildung der Einheitsgemeinde Gernrode/Harz entschieden, was nun?

Am Donnerstag, dem 17.10.2013, fand die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg statt. Sie stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Der Vorsitzende Richter war die Person, die vom Landesverfassungsgericht belehrt worden war, dass ihre Entscheidung zu den 9 fehlenden Tagen bei der Bürgeranhörung falsch war. Schon die einleitenden Worte, dass in dem anstehenden Verfahren die Sachverhalte klar auf der Hand liegen, ließ vermuten, dass der Ausgang des Verfahrens schon feststand.
Die Genehmigung durch den Landkreis zum Ausscheiden von Stecklenberg und
Friedrichsbrunn spielte in dem Verfahren keine Rolle mehr, selbst wenn die
Entscheidung von damals nicht in Ordnung gewesen sein sollte.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach der Abgeordnete Gerald Grünert (MdL) zu einem ähnlichen Problem in der Landtagsdebatte am 17./18.10.2013. In seinem Redemanuskript führte er u.a. aus:
„Mit den Gesetzen zur Gemeindeneugliederung und den Begleitgesetzen der Gemeindegebietsreform sollte eine zukunfts- und leistungsfähige Gemeindestruktur geschaffen werden. Sie galt als Voraussetzung für eine umfassende Funktionalreform und sollte die Grundlage dafür bilden, dass möglichst alle erstinstanzlichen Aufgaben an die gemeindliche Ebene abgegeben werden können. Der Grundsatz der 1 zu 1 - Umwandlung von Verwaltungsgemeinschaften mit prägendem Ort bzw. nach dem Trägergemeindemodell in Einheitsgemeinden unter Berücksichtigung der
landsmannschaftlichen Bindungen, räumlichen Nähe und Verflechtung galten als Haltelinien, die gesetzlich normiert waren.


Was sich bezogen auf die Einheitsgemeinde Zahna-Elster und Wittenberg abspielte, war nicht nur Rechtsbruch, nein, es wurden im Rahmen der freiwilligen Phase politisch motiviert die Ergebnisse von Bürgeranhörungen höher eingestuft, als die gesetzlichen Vorgaben."
Interessant war auch die Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport am 06.11.2013. Hier spielte die Bürgeranhörung in der Gemeinde Rieder zu dem Gebietsänderungsvertrag mit Ballenstedt keine Rolle, hier wurde wieder dem eingebrachten Gesetz der Vorrang gewährt, weil es besser in die Wünsche einiger Politiker passt. Die sehr unterschiedlichen Sichtweiten sind erstaunlich. Stimmen Bürgeranhörungen mit der Meinung der Regierenden überein, haben sie einen hohen Wert, stimmen sie nicht überein, werden sie als wertlos heruntergespielt. Da uns nur die Fraktion DIE LINKE im Ausschuss unterstützt hat, ist vom Landtag keine andere Entscheidung zu erwarten.
In dem laufenden Verfahren ging es nur um die Genehmigung der Bildung einer Einheitsgemeinde aus den drei Gemeinden Bad Suderode, Gernrode und Rieder. Bei diesem Bund wird die Einwohnerzahl von 10.000 um mehr als 2.000 unterschritten und das berechtigt den Landkreis zum Versagen des Gebietsänderungsvertrages, da die Wirtschaftskraft mit dieser Einwohnerzahl nicht gewährleistet ist. Aktuelle Gegenargumente durch die Stadt Gernrode mit einem jährlichen Überschuss von mindestens 500.000 € wurden nicht akzeptiert. Entscheidend ist nicht das Gemeindewohl, sondern das Gemeinwohl. Das Gemeinwohl sieht scheinbar vor, dass die kleinen Orte enteignet werden, ihre Finanzhoheit verlieren, nur noch angehört werden, ohne verbindliche Beschlüsse fassen zu können und ihre Grundschulen, Kitas, Dorfgemeinschaftshäuser, Jugendklubs, Verkaufseinrichtungen, Bauhöfe, Rathäuser, usw. geschlossen werden. Der immer älter werdenden Dorfbevölkerung kann offensichtlich zugemutet werden, die sich immer weiter vom Wohnort entfernenden Dienstleistungen zu nutzen. Diese Gefahr sehen wir besonders bei einer Zwangseingemeindung nach Quedlinburg und erhoffen uns bei einem Zusammengehen mit Ballenstedt bessere Bedingungen zu haben.
Sehr negativ zu Buche geschlagen ist der Gebietsänderungsvertrag zwischen Ballenstedt und Rieder. 40 Minuten der Verhandlungszeit beschäftigte sich der Vorsitzende mit diesem Vertrag, allerdings nicht mit seinem Inhalt. Nach seinen Ausführungen hätte Rieder mit einem neuen Vertrag warten müssen, bis zur gerichtlichen Entscheidung. Wenn man natürlich von der Seite des Verwaltungsgerichtes das Verfahren über Jahre einfriert und nicht behandelt, von der Seite des Innenausschusses aber dermaßen auf Tempo drückt, wäre für die Gemeinde Rieder keine Zeit mehr geblieben zur Erarbeitung einer Gebietsänderungsvereinbarung mit Ballenstedt. Die Gemeinde ist davon ausgegangen, da das „Dreierbündnis" von der Kommunalaufsicht abgelehnt wurde, dass einer neuen Orientierung nichts im Wege steht. In dieser Richtung wurde sie auch durch den Innenausschuss des Landtages bestärkt. Leider wurde das jetzt durch das Verwaltungsgericht Magdeburg völlig anders gesehen.
Allerdings ließ der vorsitzende Richter zum Abschluss der Verhandlung durchblicken, dass er auch ohne den Gebietsänderungsvertrag die Entscheidung des Landkreises für tragfähig gehalten hätte.
Die Ausführungen von Herrn Kugenbuch in seinem Bericht und seinem Kommentar in der MZ haben sehr objektiv und umfassend die Gerichtsverhandlung widergespiegelt.
Für Rieder gibt es jetzt noch drei Möglichkeiten:
1. Klage vor dem OVG Magdeburg gegen die Nichtzulassung der Einheitsgemeinde Gernrode/Harz (Erfolg sehr unwahrscheinlich),
2. Klage vor dem LVG Dessau-Roßlau nach in Kraft treten der Zwangseingemeindung nach Quedlinburg mit dem Erwirken einer einstweiligen Verfügung zum Vollzug (könnte Erfolg mit aufschiebender Wirkung haben),
3. Klage vor dem VG in Magdeburg gegen die Nichtzulassung unseres Gebietsänderungsvertrages zwischen Ballenstedt und Rieder.
In der Zwischenzeit hat die Stadt Ballenstedt zum Punkt 3 das Verwaltungsgericht Magdeburg angerufen. Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichtes Magdeburg hat über den Gebietsänderungsvertrag zwischen Rieder und Ballenstedt am 11.11.2013 in einer Eilentscheidung entschieden. Das Urteil lautet:
"Der Landkreis Harz wird verpflichtet, den von der Stadt Ballenstedt mit der Gemeinde Rieder geschlossenen Gebietsänderungsvertrag vom 05.09.2013 zu genehmigen."
Das ist erst einmal ein Sieg in der ersten Instanz, über den wir uns freuen können und hoffen, dass er von der Landesregierung und dem Landtag akzeptiert wird. Dieses Urteil entspricht den Bürgeranhörungen sowie dem Wunsch des Gemeinderates und des Bürgermeisters in der Gemeinde Rieder.

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